Es existieren unterschiedliche Vorstellungen davon, was die Einstellung des Bisses beim Menschen bedeutet. Manche billigen diesem Punkt lediglich lokale Relevanz zu und sehen nicht, wie sich der Biss über den Bereich der Mundhöhle hinaus auswirken soll. Andere postulieren im Gegenteil, mit der Bisseinstellung könne man Vorgaben für physiologische Abläufe im ganzen Körper machen, was schon fast schon hellseherische Fähigkeiten bräuchte. Gnathologen halten für die Bisseinstellung hauptsächlich die Lage der mandibulären Kondylen in den temporalen Fossae der Kiefergelenke für relevant und da diese unabhängig von Kopf- und Körperhaltung ist, hielten sie über lange Zeit hinweg auch interdisziplinäre Therapieansätze für unpräzise, unwissenschaftlich, gar esotherisch.
Die myozentrische Bissregistrierung beschreibt eine Vorgehensweise, bei der die harmonische Zuordnung des Unterkiefers zur bestehenden neuromuskulären Gesamtsituation aufgenommen wird. Im einfachsten Fall wird hierfür lediglich die Kaumuskulatur entspannt, so dass sich der Unterkiefer, dem danach existierenden Kräftegleichgewicht folgend, neu orientieren kann, ohne dass dabei aktive Vorgaben gesetzt werden.
Dr. James Garry, damaliger internationaler Präsident des ICCMO, bei der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft bei einer ICCMO-Tagung in den 80er Jahren an Dr. Janet Travell, Urheberin des Konzeptes der Schmerzübertragung durch myofasziale Triggerpunkte.
Daher ist es bei der myozentrischen Vorgehensweise im Gegensatz zu anderen Vorgehensweisen nicht so wichtig, die Kaumuskulatur manualtherapeutisch behandeln zu lassen, denn ein ähnlicher Effekt kann mit hoher Treffsicherheit durch das niederfrequente TENS erzielt werden – und das unmittelbar zur Bissregistrierung. Allerdings hat der Myozentriker in der Regel keinen Zugriff auf die übrigen Komponenten im Körper, welche das Kräftegleichgewicht bestimmen, in dem sich der Unterkiefer bewegt. Zudem existieren in der Myozentrik konkrete und objektive Messmethoden, mit denen sich im Einzelfall überprüfen lässt, ob gesteckte Ziele erreicht wurden, oder nicht, so dass sich ungedeckte Postulate nicht lange halten bzw. sich nicht etablieren können.
So entwickelte sich in der Myozentrik schon sehr früh das Bedürfnis, durch die Kooperation mit anderen Therapeuten über die Fachschranken hinaus Einfluss auf dieses Kräftegleichgewicht nehmen zu können, das manchmal über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Somit ist dem ICCMO ein besonderes Interesse an interdisziplinärer Kooperation aufgrund der Notwendigkeiten bei der myozentrischen Vorgehensweise von Anfang an in die Wiege gelegt, dem sich die Sektion Deutschland, e. V. schon kurz nach seiner Gründung in besonderer Weise gewidmet hat, indem es seine Mitgliedschaft gegenüber anderen Heilberufen öffnete.