Dr. Bernard Jankelson hat neben seiner Myozentrik auch elektronische Messmethoden erfunden, mit denen sie verifiziert werden konnte – warum ist das wichtig?
Eine allzu oft übersehene Eigenschaft des menschlichen Kausystems liegt in seiner außerordentlichen Anpassungsfähigkeit. Bisse können sich auf natürliche Weise verschieben, z. B. infolge von Zahnverlust, oder sie können vom Zahnarzt verschoben werden, weil er in seiner Ausbildung eine Lehrmeinung vermittelt bekam, die dies fordert. In beiden Fällen kann sich das Kausystem in aller Regel anpassen und diese Verschiebungen ausgleichen, so dass sie vom Betroffenen unbemerkt bleiben.
Es können daher mehrere Lehrmeinungen über die „richtige“ Bisseinstellung nebeneinander existieren, auch wenn sie im Gegensatz zueinander stehen, denn jeder kann auf Erfolge bei ihrer Anwendung verweisen. Es gibt normalerweise kein Maß dafür, wie viel oder wenig Belastung durch eine Bisseinstellung entsteht, solange der Patient damit zurecht kommt. Führt eine solche Bissverschiebung dann doch einmal zu Problemen, so gerät in der Regel nicht die angewandte Methodik in Verdacht, sondern der Patient selbst.
Die in der Myozentrik angewendeten Messverfahren sind einzigartig, indem sie die Möglichkeit zur objektiven Messung physiologischer Erfüllungskriterien bei der Bisseinstellung schaffen. So ist es z. B. bei der Axiographie schwierig, physiologische Erfüllungskriterien für die terminale Scharnierachse zu definieren, denn deren physiologische Relevanz wird lediglich vermutet, ist aber auch nach Dekaden noch immer nicht nachweisbar.
Jedoch ist es mit Elektromyographie sehr wohl messbar, ob und wie gut Muskulatur in einer bestimmten Situation entspannen kann, oder wie viel sie bei einer bestimmten Abstützung im Biss im Vergleich zu einer anderen leisten kann. Und mit der berührungslosen Magnetfeldmessung kann man bestimmen, wo genau der Unterkiefer steht, wenn seine Muskulatur gerade im Zustand der bestmöglichen Entspannung oder Kraftleistung ist. Dies zwingt den Zahnarzt auch dazu – zumindest, so lange er diese Messmethoden mit Sorgfalt einsetzt – mit hoher physiologischer Präzision zu arbeiten und gibt ihm auch die Möglichkeit, Behauptungen, wie man ihnen heute zuhauf begegnet, durch objektive Messungen zu überprüfen. Dies kann wiederum auch für den Zahnarzt selbst von Nutzen sein, denn so hat er die Möglichkeit, seinen Erfahrungsschatz schneller und fundierter zu bilden.
Auf der anderen Seite macht die Anschaffung solcher Messgeräte Investitionen von erheblichem Ausmaß erforderlich und es besteht die Gefahr, dass sich dabei der Fokus auf die betriebswirtschaftliche Rentabilität dieser Investition verlagert. Anstatt die Messungen dafür einzusetzen, für den Patienten den effizientesten Therapieablauf zu bestimmen, wird im ungünstigsten Fall dann die Behandlung nur teuerer. Es ist dies jedoch kein Problem, das sich nur in der Zahnmedizin stellt. Dieses Problem existiert in den allermeisten Sparten der Medizin im Verbund mit den heutigen technischen Möglichkeiten und es muss individuell zwischen dem Machbaren und Sinnvollen abgewogen werden. Dabei sollten sich auch Kostenträger darüber im Klaren sein, dass die Lösung nicht in pauschale Richtlinien liegt, sondern in einem individuell sinnvoll begründeten Therapieablauf.
Der deutsche Mauerfall brachte 1989 auch für die Myozentrik eine besondere Herausforderung, denn kaum ein Kollege aus dem Osten konnte sich damals ein Auto leisten, geschweige denn ein Gerät für die Elektromyographie. Sollte also im Osten keine Myozentrik betrieben werden? Es musste zu den einfachen Lowtech-Vorgehensweisen zurückgefunden werden, wie sie Jankelson schon in den 60er Jahren beschrieben hatte, jedoch konnte inzwischen auf die Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die durch den Einsatz dieser Messgeräte entstanden waren. Daraus wurde eine Lowtech Variante der Myozentrik formuliert, die sich aus den folgenden Schwerpunkten zusammensetzt:
Myozentrik ist nicht von aufwändiger Technik abhängig, sondern wird durch sie besser kontrollierbar!