Wie bereits angedeutet, liegt der Myozentrik ein anderes Verständnis der Funktion zugrunde, daher stellt der versierte myozentrische Praktiker auch andere Ansprüche an sie, als sie ein Gnathologe an seine Bissnahme stellt.
Kurz gefasst geht es bei der Myozentrik nicht um die Stellung von Kondylen in den Fossae der Kiefergelenke, denn man geht nicht davon aus, dass es die Gelenke sind, welche die Kieferbewegung führen. Vielmehr geht es darum, diejenige Bisslage ausfindig zu machen, in der die beteiligten Muskeln ihre optimale und symmetrische Funktion erzielen und aus welcher der Unterkiefer in eine Ruhe-Schwebe fällt, die ihrer physiologischen Ruhelänge entspricht, in der die Kaumuskulatur daher bestmöglich entspannen kann. Das Erreichen dieser Ziele kann man heute messtechnisch überprüfen, in den 60ern, als Jankelson seine Myozentrik ursprünglich beschrieb, war dies jedoch noch nicht möglich.
Nach der originalen Vorgehensweise beginnt der Prozess mit der Montage des Unterkiefers in einem stabilen Scharnier-Artikulator, den Jankelson „Terminus“ nannte. Hierfür wurde auf die untere Zahnreihe ein Wachswall aufgebracht, der in der angestrebten Bisshöhe nach der Bipupillarlinie und der Camper-Ebene ausgerichtet wurde. Fehlten die unteren Zähne, so wurde der Wachswall auf einer Bissschablone angebracht. In den Wachswall wurden anschließend mit einer Metallkalotte sagittale und transversale Verwindungskurven eingeschmolzen.
Im Oberteil des Terminus wurde nun eine durchsichtige Kalotte mit gleicher Wölbung eingeschraubt, auf welcher der Wachswall samt Unterkiefermodell midsagittal ausgerichtet positioniert und im Unterteil des Terminus einartikuliert wurde. Nach Entspannung der Kaumuskulatur für 30-60 Minuten durch TENS, während der die Einnahme der Interkuspitation durch Aufkleben von Wachsstreifen verhindert wurde, erfolgte die myozentrische Bissregistrierung – ursprünglich mit einem langsam aushärtendem Kunststoff, mit dem der Biss nach seiner Aushärtung ausführlich getestet und bei Bedarf korrigiert werden konnte.
Hierfür wurden Markierungen auf Nasen- und Kinnspitze aufgebracht und deren Abstand in der durch TENS entspannten Ruhe-Schwebe gemessen. Die myozentrische Bissregistrierung erfolgte möglichst nach einer Schließbewegung von 1–2 mm, um ausreichend interokklusale Distanz zu schaffen. Ursprünglich wurde diese Schließbewegung meist passiv durch die TENS-Impulse ausgelöst, nachdem die balancierte Stimulation der Kaumuskulatur überprüft worden war. Kontaktierten Zähne bereits vorher, so wurde das Registrat in der Höhe des ersten Zahnkontaktes erstellt. Bei der FreeBite-Bissnahme in 6 einfachen Schritten, einer vom Autor für nicht spezialisierte Kollegen entwickelte Technik zur CMD-Behandlung, finden sich etliche dieser altbewährten Vorgehensweisen wieder!
Mit diesem Registrat wurde nun das Oberkiefermodell im Terminus einartikuliert, in dem keinerlei vertikale oder horizontale Veränderungen möglich waren. Daher musste das Registrat in der exakten Zuordnung erstellt werden, in der später gearbeitet werden sollte.
Auf diese Weise waren folgende Faktoren gesichert:
1. Physiologische Ausrichtung der Kauebene
2. Physiologische Anordnung der okklusalen Verwindungskurven und somit die Vorgabe zur optimalen Ausrichtung der Kauflächen
3. Physiologische Zuordnung der Modelle zueinander in einer muskulär optimierten Position
Die okklusale Umsetzung erfolgte nun nicht, wie heute meist üblich, durch den Versuch, Kieferbewegungen des Patienten im Artikulator zu duplizieren, sondern durch das Jankelsonsche Okklusionskonzept, das in besonderer Weise auf die Art und Weise eingeht, in der Vorkontakten reflektorisch ausgewichen wird. Dabei wurde kein großer Wert auf eine Front- oder Eckzahnführung gelegt, wohl aber auf Eckzahnkontakte, die ein möglichst sicheres Okklusalgefühl vermitteln sollten. Ob Zahnkontakte stören, wurde durch Kauen von opaken selbstklebenden Wachsstreifen ermittelt, wobei Wert darauf gelegt wurde, dass solche Zahnkontakte keine Einschränkung der natürlichen Bewegungsmuster verursachten.