Ist es nur mit TENS Myozentrik? Oder ist es immer Myozentrik, sobald man der Kaumuskulatur irgendeine Rolle bei der Bissnahme zubilligt?
Bedenkt man, dass die Bissnahme in der Zahnmedizin zum täglichen Brot gehört, ist schon etwas verwunderlich, dass gerade hier doch einige Unsicherheit herrscht, wenn nicht gar Konfusion. Der Autor ist bereits an anderer Stelle auf dieses Thema eingegangen. und es soll nicht redundant dazu publiziert werden, daher hier gleich zum Kern:
Was unterscheidet die myozentrische Bissregistrierung von anderen Vorgehensweisen?
Die Myozentrik leitet sich aus der physiologisch entspannten Ruhe Schwebe des Unterkiefers ab.
Die Ruhe-Schwebe, in der keine Zahnkontakte die Stellung des Unterkiefers beeinflussen, ist die einzige freie Position des Unterkiefers und somit auch die Position, die bestmöglich auf Therapien jeder Art reagieren kann. Sobald Zahnkontakte den Unterkiefer führen, ist die Muskulatur nicht mehr wirklich frei, ihn zu positionieren.
Jedoch ist die Ruhe-Schwebe in der Regel an die Kieferstellung im Biss gekoppelt. In ihr wird der Unterkiefer so gehalten, dass die Interkuspidation der Zähne möglichst unkompliziert und störungsfrei getroffen werden kann. Die Myozentrik sucht den Unterkiefer so im Biss einzustellen, dass die dazu passende Ruhe-Schwebe gleichzeitig eine Position der bestmöglichen Entspannung ist. Wie kann man das erreichen?
Indem man die Muskulatur zuerst entspannt und dann aus der so entstandenen Ruhe-Schwebe, die wir nun „physiologisch“ nennen, weil dann möglichst keine Anpassungen mehr enthalten sind, die dazu passende Bisslage konstruiert. Hierfür muss man auch überlegen, wie viel interokklusale Distanz man einrichten möchte. Ideal sind in der Regel 1-2 mm, aber ein schon vorher eintretender Zahnkontakt kann Anlass zur Verringerung der interokklusalen Distanz geben, oder ein wesentlich geringerer Aufwand bei einer okklusalen Rekonstruktion Anlass zu einer größeren. Solange der Unterkiefer nicht aus seiner physiologischen Schließbewegung abweicht, ist die Bisshöhe eine Dimension von eher untergeordneter Bedeutung. Außer man wählt sie viel zu hoch, sodass der Patient sich abmühen muss, seine Zähne auseinander zu halten!
Grund für die Konfusion um die Myozentrik ist auch, dass die Dres. Jankelson sen. und jun. nie eine klare Definition veröffentlicht haben. Erst, nachdem sich Zweifel regten, ob sich die Fortbildungskurse des Autoren zur „Low-Tech-Myozentrik“ nach der deutschen Wiedervereinigung eigentlich noch „Myozentrik-Kurs“ nennen durften, gelang es ihm, Dr. Jankelson jun. auf eine präzise Definition festzulegen:
Die Myozentrik ist die Unterkieferposition, die sich nach einer ungezwungenen isotonischen Elevation aus einer physiologisch entspannten Ruhe-Schwebe nach Überbrückung einer vom Behandler festgelegten interokklusalen Distanz ergibt.
Jankelsons Wortwahl „ungezwungene isotonische Elevation“ ist dabei synonym mit „natürlicher“ oder „physiologischer“ Schließbewegung, also eine Elevation des Unterkiefers ohne Widerstand, einfach den Muskelzügen der zuvor entspannten Elevatoren folgend. Sehr gut visualisieren lässt sich dies im Scan 5.
Eine „Aqualizer-Bissnahme“ ist also keine Myozentrik, ebenso wenig eine Bissnahme, bei der Einfluss auf die Elevation des Unterkiefers genommen wird, indem der Behandler diesen führt, egal, wie viel Druck er dabei ausübt. Jedoch ist die Kontrolle durch elektronische Messungen kein zwingender Bestandteil der Myozentrik, ebenso wenig die Vorbehandlung mit niederfrequenter TENS. Jedoch ist es sehr wohl notwendig, die Kaumuskulatur vorbereitend zu entspannen und zu deprogrammieren, um zu einer physiologischen Ruhe-Schwebe zu gelangen.
Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Myozentrik gemacht werden?